ReparaturRat stellt Antrag auf finanzielle Förderung
Die Coronakrise hat die Empfindlichkeit des Lebens auch die der Wirtschaft global deutlich gemacht. Auch in Oldenburg sind zunehmende Leerstände in der Innenstadt sichtbarer und auch Leerstand in den sechs größeren Straßen, die nach Oldenburg hinein- und auch wieder hinausführen, wir noch auffälliger. Gerungen wird jetzt um den Wiederaufbau. Geschieht der so, dass die alten, krisenanfälligen Strukturen erneut gestützt werden, wird es nichts mit einer Wende bei Emissionen, Arten- und Ressourcenschutz. Jetzt böte sich also die Gelegenheit, einen echten Wandel in die Wege zu leiten. Und das in vielen Bereichen, für soziale und ökonomische Innovationen.
Deshalb hat der sich in Gründung befindende ReparaturRat Oldenburg bei der Stadtverwaltung und den im Rat vertretenen politischen Parteien einen Antrag auf finanzielle Förderung gestellt, über den die Nordwest-Zeitung heute berichtet:
2020-11-05_NWZ_-_Oldenburger_Nachrichten_-_05-11-2020_print
By Barthel Pester
ReparaturRat gegründet
Der Wandel ist spürbar, überall, auch in Oldenburg. Wandel und Transformation finden statt, ob gewollt oder nicht. Nicht erst Corona hat das Leben und seine Bedingungen verändert. Die Versprechungen von Wohlstand und Sicherheit einer weltweit dominierenden Wirtschaftsordnung lassen sich unter diesen Umständen nicht mehr für alle erfüllen – die lange erzählten Grenzen des Wachs-tums sind jetzt für alle sichtbar geworden. Der Klimawandel formt die Welt und ihr Handeln: Aufhalten lässt er sich nicht mehr, aber begrenzen ließe er sich schon. Folgen, die weit schwerer sind, als die, die wir jetzt sehen und erleben, ließen sich vermeiden.
Durch die eigene Erfahrung mit dem kontinuierlich seit 2013 ausgebauten Angebot an Repair Cafés ertüchtigt, und auch durch die zweijährige Unterstützung durch das Bundesumweltministerium, sind Engagierte um Dr. Katharina Dutz (Uni Oldenburg) und Prof. Dr. Niko Paech (Uni Siegen) in Gründung des sogenannten ReparaturRates Oldenburg (RRO). Ziel des RRO ist der Aufbau eines Ressourcenzentrums, indem kaputte Gegenstände des täglichen Bedarfs repariert werden und der Aufbau eines außerschulischen Lernortes, in dem handwerkliche Fertigkeiten zur Reparatur eines Gegenstandes an Menschen jeden Alters vermittelt werden.
Zweck des Vereins ist die Förderung des Umweltschutzes (…) und des bürgerschaftlichen Engagements. Der Satzungszweck wird verwirklicht insbesondere durch vom Verein initiierte und unterstützte Aktivitäten, die im weitesten Sinne zur ressourcenschonenden Nutzungsdauerverlängerung materieller Güter und Objekte beitragen und für eine resiliente Versorgung in der Kommune geeignet sind. Zu den Handlungsfeldern des ReparaturRates zählen:
- Stärkung und Verbreitung von Repair Cafés,
- Entwicklung und Koordination eines Reparaturnetzes,
- Schaffung geeigneter Lernorte, um Reparaturkompetenzen und nachhaltige Lebensstile zu fördern,
- Einbindung künstlerischer und kultureller Aktivitäten, die der Kommunikation und Verbreitung nachhaltiger Praktiken dienen,
- Öffentlichkeitsarbeit, um ein Bewusstsein für Nutzungsdauerverlängerung und Obsoleszenzvermeidung als gesellschaftliche Querschnittsaufgabe zu verankern und
- Aufbau und Betrieb eines Ressourcenzentrums
Der Verein in Grüdnung hat bei der Stadt Oldenburg und den im Rat vertretenen politischen Parteien einen Antrag auf finanzielle Förderung gestellt:
Antrag: Der ReparaturRat Oldenburg e.V. beantragt, den Aufbau eines Ressourcenzentrums während einer vorübergehenden, zeitlich begrenzten Anschubphase finanziell mit 61.355,00 Euro zu unterstützen. Dieser Antrag bezieht sich auf das Haushaltsjahr 2021. Es wird angestrebt, dass das Ressourcenzentrum (RZO) sich nach drei Jahren selbst finanzieren wird. Der ReparaturRat, ein gemeinnütziger Verein, ging aus der seit 2013 in Oldenburg aktiven Reparaturbewegung hervor.
Begründung: Das geplante RZO soll die wirtschaftliche Attraktivität und Aufenthaltsqualität der Innenstadt stärken, insbesondere zur Abfallvermeidung und zum Klimaschutz beitragen. Damit können zugleich eine Verödung des Stadtkerns abgewendet und der Einzelhandel, inhabergeführte Firmen und Handwerksbetriebe unterstützt werden. Weiterhin sollen Unternehmensgründungen und lokale Wirtschaftsformen befördert werden. Dazu zählen auch Betriebe, die in Manufakturen und Werkstätten kleine und individualisierte Stückzahlen produzieren. Derartige Aktivitäten in einer nicht genutzten Immobilie in der Innenstadt zu bündeln, würde diese attraktiver machen und zudem die Schaffung neuartiger Lernorte ermöglichen. Schulklassen sowie Erwachsene könnten hier aktiv an nachhaltigen und krisenfesten Versorgungsleistungen teilhaben und über aktive Beteiligung den Wert der Reparatur praktisch erleben. Eine authentische Weitergabe handwerklicher Kompetenzen kann einen wesentlichen Beitrag für die berufliche Orientierung an Schulen leisten und so dem Handwerkermangel entgegenwirken. Bürger*innen können einen Ressourcen-Coupon (beispielsweise im Wert von 100 Euro) erwerben, den sie gegen beliebige Services oder die Teilnahme an Reparatur-Kursen und -Workshops einlösen können. Die Coupons sind übertragbar und eigenen sich auch als Geschenk. Einzelhändler sollen als Kooperationspartner gewonnen werden, um ihren Kunden Reparaturleistungen für langlebige Produkte anbieten zu können, die von den im Zentrum angesiedelten Handwerkern und Reparateuren ausgeführt werden. So erweitern sie ihr Angebot um eine attraktive Zusatzleistung, die über eine angemessene Kostenumlage finanziert werden kann. Ein kleiner gastronomischer Bereich soll auch Personen ohne konkrete Reparaturnachfrage zum Verweilen, Mitmachen oder Lernen einladen. Das Ressourcenzentrum soll für künstlerische und kulturelle Angebote genutzt werden können, um den Raum effizient und attraktiv zu gestalten und zur Belebung der Innenstadt beizutragen.
Auswirkungen: Die Innenstadtökonomie kann durch eine „bodenständige“, insbesondere handwerkliche und arbeitsintensive Wertschöpfung am ehesten vor der Konkurrenz durch Internethandel, Filialisten und große Kaufhausketten geschützt werden. Die Belebung der Reparaturnachfrage lässt neue Firmen, Innovationsprozesse und Arbeitsplätze entstehen. Eine verdoppelte Nutzungsdauer von Gebrauchsgütern halbiert die CO2-Emissionen entlang der Herstellungs- und Transportkette, vermeidet immense Abfallmengen, schont Ressourcen und entlastet Haushalte finanziell. Die kommunale Versorgung wird eigenständiger und krisenrobuster, weil sie weniger von globaler Zulieferung abhängt. Das Reparaturwissen sowie andere Kompetenzen für einen nachhaltigen Lebensstil steigen. Der Einzelhandel profitiert von einer stärkeren Kundenbindung, weil er Konkurrenzvorteile gegenüber dem Internethandel aufbauen kann. Oldenburg erhielte als „Stadt der Reparatur“ ein zukunftsbeständiges Alleinstellungsmerkmal.
Der Antrag zur Anschubfinanzierung wird flankiert von intensiven Bemühungen um Sponsoren und Spenden sowie durch weitere Anträge zur finanziellen Unterstützung bei Stiftungen und anderen Institutionen. Hier kann bereits ein Betrag von 20.000 Euro der anstiftung nachgewiesen werden.
Des weiteren werden Konzepte für eine kostengünstige Ausstattung entwickelt, die dem Charakter des Zentrums als Ort der Aufwertung sowie Wieder- und Weiterverwendung gebrauchter Gegenstände entsprechen.
By Barthel Pester